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Rezension

Era of Tribes

In diesem komplexen und äußerst thematischem Zivilisationsspiel von Arne Lorenz versuchen die Spielenden ihren jeweiligen Stamm aus dem Neolithikum zur vorherrschenden Macht im Europa des Hochmittelalter zu führen.

Am Anfang von Era of Tribes steht ein leeres Europa, inklusive Nordafrika. Nun beginnt ihr aus eurem Startgebiet heraus, Europa zu kolonialisieren. Dabei stehen euch verschiedene Aktionen und Völker zur Verfügung. Diese können mittels Anführer auf dem eigenen Spielbrett aktiviert werden. Da jeder Spieler zu Beginn 2 Anführer besitzt, können maximal 2 Aktionen durchgeführt werden. Bei den meisten Aktionen ist es möglich mehrere Anführer zu platzieren, um so die Aktion stärker zu machen. Da Era of Tribes unglaublich komplex ist, gebe ich euch hier nur einen kurzen Überblick der Aktionsmöglichkeiten die euch zur Verfügung stehen.

BGG Fakten
  • Era of Tribes (2019)
  • Arne Lorenz
  • Marc Exner, Radosław Jaszczuk, Arne Lorenz
  • 1-4 Spieler:innen
  • 60–180 Minuten
  • 14+
  • 4,19 / 5

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Bei Handel können Anführer und Luxusgüter platziert werden, um Geld zu generieren. Dies ist auch über Steuern möglich, was deutlich mehr Geld in die Kassen spült, jedoch büßt man im Gegenzug auch Moral ein – die Bürger mögen das natürlich nicht so sehr. Diplomatie ermöglicht es, zusätzliche Anführer anzuheuern, es den Mitspielenden schwerer zu machen anzugreifen oder die Zugreihenfolge zu ändern. Außerdem kann man Allianzen schließen oder Mitspielenden eine Provinz, respektive eine Stadt abkaufen. Des Weiteren kann man Anführer nutzen, um im Bereich Fortschritt euer Volk weiter zu entwickeln. Brot & Spiele fördert die Moral eures Volkes. Solltet ihr die Voraussetzungen geschafft haben, könnt ihr mit Revolution euer Volk in ein neues Zeitalter führen.

Das Tableau der Römer

Neben all diesen Aktionen, bleibt noch die Expansion. Diese kann mit Anführern ausgelöst werden, passiert aber automatisch am Ende der Runde. Es werden Provinzen besiedelt, Flotten und Armeen rekrutiert, Städte gebaut und Schlachten geschlagen. Hierzu benötigt ihr eure Vasallen – und diese sind rar. Weshalb sie klug eingesetzt werden wollen, da sie eine natürliche Grenze eurer Erweiterungen darstellen.

Handelsmacht und Kriegstreiber

Das alles greift wunderbar ineinander. Wer verstärkt auf Krieg und Eroberung setzt, der kann versuchen, damit zum Erfolg zu kommen. Jedoch kann man auch sein Volk zu einer Handelsmacht aufbauen oder zu einer starken Seefahrernation, die sich zu neuen Ufern aufmacht. Einen Startpunkt, welche Richtung sich für das eigene Volk am besten eignet, ist bei jedem der 10 Völker angegeben. So erhaltet ihr als Römer jede Runde Armeen dazu, Wikinger sind gute Seefahrer und können andere Völker plündern. Ist man dagegen Grieche, entwickelt man sich günstiger als alle anderen Völker.

Hier wurden die Hextiles als Grenze eingesetzt.

Apropos Entwicklung – auf dem Spielbrett findet man den Fortschrittsbaum. Dieser belohnt Völker, welche sich in einem Bereich als erste Entwickeln, mit Siegpunkten. Dafür ist die Entwicklung, in diesem Bereich, für die Mitspieler günstiger. Als Beispiel sei hier die Seefahrt genannt: Um überhaupt Flotten bauen zu können, ist der erste Schritt in diesem Bereich nötig. Dieser kostet 4 Thaler (respektive 3 für die nachfolgenden Spieler:innen). Danach darf man seine Vasalen in Flotten umwandeln. Ganz wie in den Anfängen der Zivilisation, werden die angrenzenden Küsten erkundet. Dargestellt durch einen Schritt Bewegung, die mit diesen Flotten möglich ist. Jeder weitere Schritt verdoppelt die Kosten des Fortschritts bis zu 32 Thalern, ermöglicht aber auch weitere Strecken mit der Flotte zu überwinden.

Dazu kommt ein unglaublich interessantes Kampfsystem, in dem es um Stärkenverhältnisse und Würfelglück geht.

Das Ende des Spiels kann auf mannigfaltige Weise eingeläutet werden. So ist es möglich, ein bestimmtes Zeitalter zu erreichen, eine gewisse Anzahl von Siegpunkten und vieles mehr. Es gibt mehrere Varianten, um die Spielzeit zu beeinflussen, welche am Anfang gut gelesen werden möchten.

Ein komplexer Leckerbissen

Nun hoffe ich, euch einen kleinen Eindruck über Era of Tribes gegeben zu haben. Denn in diesem Spiel gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Alles läuft schön sauber zusammen. Jede Aktion hat Auswirkung auf nachfolgende Runden und will gut überlegt sein. Halte ich meine Moral nicht unter Kontrolle, kann ich mich nicht ausbreiten. Ohne Expansion, fehlen mir aber Ressourcen, die ich brauche, um Thaler zu generieren. Ohne Thaler kein Fortschritt, usw.

Welcher Stamm wird am Ende seine Vormachtstellung in Europa sichern können?

Und hier kommen wir auch zu einem Kritikpunkt. Das Regelbuch ist sehr ausführlich, allerdings für so ein thematisch hervorragendes Spiel, sehr technisch. Dazu lässt es einige Fragen offen. Vieles muss nachgelesen werden und kann leicht auch überlesen werden. Der Spielplan wirkt überfrachtet und lädt zum Fehlverstehen ein. Mittlerweile gibt es die Regelwerke in überarbeiteter Form bei Black Beacon Games.

Und so ist Era of Tribes ein Spiel, welches hart erarbeitet werden möchte. Vieles ist zu beachten und zu verstehen. Einsteiger werden schnell überfordert sein. Wer allerdings durchhält, bekommt eins der tiefsten und vielschichtigsten Brettspiele. Der Zivilisationsaspekt und die Entwicklung des eigenen Volkes fühlt sich absolut authentisch an. Wachse ich zu schnell, beute ich meine Untertanen eventuell aus. Dieses wird mit einer sinkenden Moral beantwortet. Bin ich zu langsam, werden auf dem Spielplan die wichtigen Ressourcen vielleicht schon besetzt. Diese können dem Gegner zwar abgenommen werden, allerdings muss man diese erobern oder teuer abkaufen.

Das alles wird abgerundet durch einen unglaublich harten Solomodus, in welchem der Automa sehr schnell Land besetzt. Dazu ist der Spielplan modular und begrenzt je nach Anzahl der Spieler. Mit der Erweiterung ist zu dem ein Fog of War möglich.

Wer also eine lange Lernphase nicht scheut und bereit ist viel Vorleistung zu investieren, der wird mit einer sehr tiefen und immersiven Erfahrung belohnt.

Von Dennis

Morje, ich bin Dennis. Geboren 1981 im Oberbergischen und mittlerweile ins Siegerland übergesiedelt.

Klassisch wurde bei uns Risiko und Monopoly gespielt. Dazu viel Skat und Klammern. Danach ging es mit Pen&Paper weiter.
Richtig los ging es dann aber ca. 2010 als ich zum ersten Mal Dominion gespielt habe. Seitdem spielen meine Frau und ich so oft es geht.

Dabei spielen wir alles von einfachen Roll’n’Writes, über Storygames, bis zu knallharten Eurogames. Diese Spaß an Diversität möchte ich gerne bei BGT einbringen.